Anmassende Richter am Europäischen Gerichtshof in Strassburg


    Kolumne


    (Bild: © Ehrbar Photography) Dr. Adrian Schoop ist Unternehmer und FDP-Grossrat.

    Das jüngste Klimaurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gegen die Schweiz hat weitreichende Folgen. Angeblich unzureichende Massnahmen der Schweiz zum Klimaschutz führten dazu, dass die sogenannten «Klimaseniorinnen» eine Klage eingereicht – und vor dem EGMR auch noch Recht erhalten haben. Die Schweiz sei ihren Aufgaben beim Klimaschutz nicht nachgekommen. Wie absurd! Gemäss dem Urteil muss die Schweiz nun weitere Massnahmen zugunsten des Klimaschutzes treffen. Damit hat sich das Gericht in Strassburg auf ein Terrain begeben, das weit über seine eigentliche Bestimmung hinausgeht.

    Das heute fragwürdige Gericht war zunächst eine zutiefst liberale Idee. Der EGMR sollte ein Bollwerk gegen staatliche Willkür sein, ein Schutzschild für den Einzelnen gegen die autoritären und willkürlichen Übergriffe eines Staates. Doch mit diesem Urteil hat sich das Gericht von dieser Idee verabschiedet und spielt sich zum moralischen Gesetzgeber auf – weit ausserhalb seiner eigentlichen Kompetenz.

    Der EGMR zeigt ein bedenkliches Selbstverständnis als Gesetzgeber statt als unparteiischer Hüter der Menschenrechte. Der Gerichtshof versteht sich immer stärker als politisches Gremium, das sich über die Souveränität der Vertragsstaaten hinwegsetzt. Die Schweiz, mit ihrer direkten Demokratie, in der das Volk über wesentliche Fragen wie das CO2-Gesetz und das Klimaschutzgesetz entscheidet, sieht sich nun Richtern gegenüber, die anscheinend wenig Verständnis für direktdemokratische Abläufe haben.

    Dabei wirft das Urteil auch in der Sache viele Fragezeichen auf. Die Schweiz gehört im Bereich des Klimaschutzes zu den vorbildlichsten Ländern der Welt. Der Ausstoss von Treibhausgasen in der Schweiz nimmt seit Jahrzehnten kontinuierlich ab. Paradoxerweise werden wir aber nun von Richtern aus genau jenen Ländern kritisiert, deren CO2-Ausstoss pro Kopf, den der Schweiz weit übersteigt.

    Es ist absolut richtig, dass sich nun die Bundesversammlung gegen dieses Urteil wehrt. Diesem darf im Hinblick auf die vielen Volksabstimmungen keine Beachtung geschenkt werden. Es ist nicht Aufgabe eines Gerichts in Strassburg, den Gesetzgeber oder gar das Schweizer Volk zu bevormunden. Damit stellt das Urteil auch die Gewaltenteilung infrage – eine Säule der rechtsstaatlichen Ordnung.

    Das Urteil des EGMR ist alles andere als ein simpler Papiertiger. Bezeichnend hierfür sind die Äusserungen von Helen Keller, der früheren Schweizer Richterin am EGMR, welche sie anlässlich einer Anhörung vor der ständerätlichen Rechtskommission gemacht hat. Mit dem vorliegenden Urteil sieht sie die Möglichkeit, ein Verbandsbeschwerderecht im Klimaschutz einzuführen. Das fehlt der Schweiz gerade noch. Das Verbandsbeschwerderecht hat heute schon im Bereich des Umweltschutzes dazu geführt, dass kaum noch neue Stromproduktionsanlagen gebaut oder erweitert werden können. Eine Ausdehnung auf den Klimabereich käme all den Verbänden gerade recht, die in letzter Zeit selbst bei Wasserkraftwerken absurde Blockierungen erreicht haben. Bereits sind am EGMR weitere Klimaklagen hängig, wie beispielsweise eine Beschwerde von portugiesischen Jugendlichen, die der Schweiz und 32 weiteren Ländern vorwerfen, die Zukunft ihrer Generation zu gefährden.

    Die ausufernde Rechtsprechung der Strassburger Richter ist eine Gefahr für die Schweizer Demokratie. Der EGMR muss auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht werden. Es darf nicht sein, dass der Europäische Gerichtshof auf der Nase des Schweizer Souveräns herumtanzt. Unsere Selbstbestimmung darf keinesfalls durch fremde Richter erstickt werden.

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