Mit spitzer Feder
Nach dem Corona-Virus, das zwar noch aktiv ist, aber momentan offensichtlich mehrheitlich im Ruhemodus verharrt, beschäftigen wir uns nun mit der nicht neuen Fragen, ob der Mohrenkopf noch Mohrenkopf genannt werden darf, oder ob das rassistisch sei. Auslöser ist die Migros, die aufgrund von Rassismus-Vorwürfen entschied, die süssen Mohrenköpfe vom bekannten Aargauer Mohrenkopf-Produzenten Dubler aus dem Sortiment zu nehmen. Der Entscheid fiel, nachdem eine Twitter-Userin anlässlich der weltweiten Black Lives Matter-Bewegung die Migros auf den rassistischen Namen der Süssigkeit aufmerksam machte, und die Genossenschaft aufforderte das Produkt aus dem Regal zu nehmen. Die Mohrenkopf-Geschichte hat sich zu einer emotional aufgeladenen Rassismus Debatte entwickelt. Firmeninhaber Roland Dubler kontert geschickt die vielen unnötigen Fragen und verteidigt in den Medien den Namen seines Produktes. Sein Standpunkt: «Solange ich lebe, bleibt der Name.»
Ich mag Mohrenköpfe. Ich habe mich noch nie am Namen gestossen, denn wenn ich herzhaft in die Eiweissfüllung beisse, verbinde ich den Mohrenkopf mit positiven Gaumenfreunden und denke keineswegs an irgendwelche rassistischen Ideologien. Ebenso stosse ich mich als Frau nicht am «Meitschibein» und den «Frauenfürzen», als Vegetarierin nicht an den Hamburgern oder am Zigeunerschnitzel sowie auch nicht am Haarspray von Schwarzkopf oder an der Gemeinde Möriken, die ein klassisches Mohrengesicht mit Kraushaaren, vollen roten Lippen und goldenem Ohrschmuck – ist das jetzt schon rassistisch? – im Gemeindewappen hat. Es gäbe noch zahlreiche solche Beispiele. Sollen wir nun solche Relikte der Vergangenheit und der Geschichte, der Sprache und der Kultur alle eliminieren, nur weil sie nicht mehr ins neue Weltbild gewisser unzufriedener und extremer «Gutmenschen» passt? Schreiben wir nun die Geschichte um oder was? Es scheint mir, das Virus hat einigen Menschen nicht den Atem, sondern den Verstand genommen. Haben wir denn im Moment nicht dringendere Problem wie beispielsweise der Anstieg der Arbeitslosigkeit, 50 Milliarden Franken Defizit in der Bordkasse der Helvetia, eine desolate Wirtschaft, ein unberechenbares Virus etc., als die Verbannung der Mohrenköpfe?
Wie bereits der Mohrenkopf-Produzent in den Medien feststellte, kann dieser weltweite Missstand nicht mit der Namensänderung einer Süssigkeit aus der Welt geschaffen werden. Dazu müssen tiefgreifendere Massnahmen eingeleitet werden. Doch dazu ist unsere Wohlstandsgesellschaft noch lange nicht bereit. Ein Anfang wäre allein schon, Afrika fair zu behandeln und dafür zu sorgen, dass keine Menschen auf dem schwarzen Kontinent verhungern und ein menschwürdiges Leben führen können. Aber dazu sind wir nicht bereit, das würde ja etwas kosten. Da ist es viel einfacher, den Mohrenkopf aus dem Sortiment zu verbannen – eine äusserst scheinheilige Aktion!
Zudem kann es in einer mündigen Gesellschaft, die die schweizerische glücklicherweise (noch) ist, nicht sein, dass ein Grosskonzern seine Kundschaft moralisiert. Jede Konsumentin und jeder Konsument können für sich selber entscheiden, wie sie oder er es mit den Mohrenköpfen halten will. So viel Eigenverantwortung ist den Bürgerinnen und Bürger auch oder gerade bei heiklen Themen wie Rassismus und Diskriminierung zuzutrauen. Übrigens, die Migros schmeisst die einheimischen Dubler-Mohrenköpfe aus dem Sortiment, ihre eigenen Budget-Mohrenköpfe «Moretti» – zu Deutsch Negerlein – werden aber weiterverkauft. Bei so viel (höflich ausgedrückt) Inkonsequenz kann ich nur den Kopf schütteln! Mit ganz viel schlechtem Willen kann man der Migros übrigens noch einen anderen Strick aus der Mohrenkopf-Aussortierungs-Aktion drehen: Damit wird ein heimisches KMU diskriminiert – gerade jetzt, wo die KMU-Wirtschaft Corona-bedingt schon genug unter Druck steht. Der Schuss ging allerdings nach hinten los! Für mich bleibt der Mohrenkopf ein Mohrenkopf, ohne irgendwelche diskriminierenden Hintergedanken. Und demnächst statte ich Dubler einen Besuch ab und decke mich reichlich mit den feinen Mohrenköpfen ein – nicht nur weil sie einfach eine himmlische Gaumenfreude sind, sondern auch, um ein Zeichen zu setzen und mein Weltbild, das gerade sehr schief in den Angeln hängt, gerade zu rücken.
Herzlichst,
Ihre Corinne Remund
Verlagsredaktorin