Raus aus der Wohlstandsverwahrlosung


    Kolumne


    Europa und die Schweiz sind träge geworden. Die Musik spielt anderswo. Wir müssen unsere Wirtschaftskraft stärken, um nicht weiter abgehängt zu werden. Auch muss Schluss sein mit der Bewirtschaftung von Scheinproblemen.

    (Bild: © Ehrbar Photography) Dr. Adrian Schoop ist Unternehmer und FDP-Grossrat.

    Uns geht es gut – vielleicht (noch) zu gut. Mein Eindruck, der sich in den letzten Jahren verfestigt hat, ist: Die Schweiz und Europa ruhen sich auf dem einst hart erarbeiteten Wohlstand aus, während aufstrebende Mächte in Asien den europäischen Staaten den Platz streitig machen. Kurz: Europa und die Schweiz sind auf dem absteigenden Ast. Dabei geht es um viel mehr als nur um die Wirtschaft, es geht um eine freiheitlich demokratische Welt.

    Schauen wir uns um: Während die Russen von ihrer ehemaligen Grossmachtstellung träumen und einen Krieg auf europäischem Boden führen, fahren die Chinesen erst richtig auf. China baut gewaltige Infrastrukturprojekte wie die Seidenstrasse und finanziert zahlreiche Projekte auf der ganzen Welt. Hinzu kommt der Schulterschluss zwischen Putin und den Chinesen. Beide Mächte stützen sich gegenseitig sowohl ökonomisch als auch militärisch und ideologisch.

    Europa fällt zurück
    Und was machen wir in Europa und in der Schweiz? Wir tun so, als würde uns dies alles nicht betreffen, als wäre unser Wohlstand auf Ewigkeiten garantiert. Dabei zeigen die Zahlen das Gegenteil. Während China und Indien schon im Jahr 2021 Wachstumsraten von über 8% aufwiesen, kann die Schweiz trotz des aussergewöhnlichen Aufschwungs nach der Coronakrise nur ein halb so hohes Wachstum verzeichnen. Die neuen Machtverhältnisse spiegeln sich auch in den globalen Investitionen. Während 1999 bloss rund 4.8% der weltweiten Investitionen in China getätigt wurden, ist das Reich der Mitte heute mit knapp 30% aller Investitionen auf Platz 1. Die Europäer fallen klar zurück. 1999 wurden rund 24% der Investitionen in der EU getätigt, heute sind es nur noch gegen 15%, Tendenz sinkend. Das Gleiche gilt für die USA und Japan. Dabei war genau diese ökonomische Stärke der westlichen Staaten das Fundament der freien und demokratischen Welt.

    Schweiz im Dornröschenschlaf
    Auch in der Schweiz sieht es nicht besser aus. Trotz des starken Bevölkerungswachstums stagniert das BIP pro Kopf. Und was tun wir dagegen? Nichts. Während sich die Welt rund um uns immer schneller bewegt und immer kompetitiver wird, verfallen wir in einen Dornröschenschlaf – und beschäftigen uns mit Scheinproblemen. Statt darüber nachzudenken, wie wir unsere ökonomische Stellung in der Welt behalten können, beschäftigen wir uns lieber mit Gendersternchen oder fragen uns, ob historische Statuen nicht rassistisch sind. Und mit der ewigen Diskussion rund um möglichst viel Teilzeit und höhere Steuern fahren wir langfristig unsere Produktivität und damit die Konkurrenzfähigkeit an die Wand. Die Schweizer Wirtschaft ist kein Selbstbedienungsladen, das hat insbesondere die Linke vergessen. Sozialdemokraten und Grüne sind bereits vollständig in die Wohlstandsverwahrlosung abgedriftet. Der Staat kann nicht immer mehr Geld ausgeben, ohne auch mehr Wertschöpfung zu generieren.

    Standortattraktivität erhöhen
    Dabei ist höchste Zeit, wieder an unserer Wettbewerbsfähigkeit zu feilen. Wir müssen endlich die Leute ausbilden, die die Wirtschaft auch nachfragt, damit Unternehmen ihren Betrieb nicht mehr ins Ausland auslagern müssen. Wir müssen unsere Energieversorgung sicherstellen, damit der Werkplatz für ausländische Investoren nicht zu einem Risikoabenteuer wird. Wie die aufstrebenden Schwellenländer ist auch die Schweiz auf einen globalen Markt angewiesen. Jeder zweite Franken wird im Ausland verdient. Wir müssen also aufhören, die akademische Frage zu stellen, ob der Handel uns nützt, sondern endlich mehr Freihandelsabkommen abschliessen, beispielsweise mit Grossbritannien.

    Fazit: Als Unternehmer und Politiker ist für mich sonnenklar, dass die Schweiz aus ihrem Dornröschenschlaf aufwachen muss. Wir stehen in einem globalen Wettbewerb, der immer härter wird. Wollen wir unseren Wohlstand und unsere freiheitliche Ordnung sichern, müssen wir die Standortattraktivität der Schweiz deutlich erhöhen – und sofort aufhören mit der wohlstandsverwahrlosenden Bewirtschaftung von Scheinproblemen.

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